Ombudsmann im Hinweisgebersystem

Immer mehr Unternehmen beauftragen einen Ombudsmann. Warum? Dafür gibt es zwei verschiedene Motive: Im ersten Fall soll er Kundenbeschwerden aufgreifen und dadurch Rechtsstreitigkeiten vermeiden. Dagegen gibt er im zweiten Fall Whistleblowern eine Möglichkeit, vertraulich oder anonym auf Missstände hinzuweisen. Der Ombudsmann ist dann eine vertrauenswürdige neutrale Stelle im Hinweisgebersystem.

Das Wort Ombudsmann leitet sich aus dem altnoridischen umboðsmaðr ab. Das bedeutete Repräsentant oder Vertreter. Die ersten Ombudsleute wurden vom Staat, genauer gesagt vom Parlament, eingesetzt. Als unabhängige Person (Bürgerbeauftragter) sollen sie die Achtung der Bürgerrechte durch die Verwaltung überwachen. Heute findet man Ombudsleute auch im öffentlichen Dienst zur Bekämpfung und Prävention von Korruption.

Ombudspersonen in der Wirtschaft

Seit den 1960er Jahren benennen auch Unternehmen, vor allem in den USA und Kanada, Ombudspersonen. Diese haben eine herausgehobene Stellung in der Organisation und sind unabhängig vom Management. Sie helfen den Unternehmen

  • bei der außergerichtlichen Streitbeilegung und
  • als Ansprechpartner für Whistleblower.

Der Ombudsmann als Streitschlichter im Bankgeschäft

Bei Banken hat sich der Ombudsmann als Beschwerdestelle etabliert. Er oder Sie (in der Regel werden mehrere Ombudspersonen bestellt) hilft Kunden Meinungsverschiedenheiten schnell, unbürokratisch und kostenfrei zu lösen. Als Streitschlichter sind Ombudspersonen unabhängig und nicht an Weisungen gebunden. Sie bewerten Kundenbeschwerden unparteiisch und unterbreiten einen Schlichtungsvorschlag, der die Rechtslage und die Interessen beider Parteien berücksichtigt.

Ein Beispiel ist die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR): Eine staatlich anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle. Bankkunden können sie einschalten, ohne ihren Rechtsschutz vor den staatlichen Gerichten zu verlieren. Auch der Deutsche Sparkassen und Giroverband (DSGV) hat eine Schlichtungsstelle eingerichtet und für Kunden privater Banken gibt es die Ombudsleute des Bankenverbands.

Die Möglichkeit eines Bankkunden, bei einem unstreitigen Sachverhalt in relativ kurzer Zeit ohne Kostenrisiko eine qualifizierte rechtliche Entscheidung zu bekommen und diese bis zu einem Streitwert von 10.000 € durchsetzen zu können, ist eine wichtige Form des Verbraucherschutzes, für die ich mich sehr gerne engagiere.

Angelika Lange, Ombudsfrau Bankenverband

Hinweisgebersystem für Whistleblower

Auch im Rahmen eines Hinweisgebersystems ist der Ombudsmann eine unabhängige und neutrale Anlaufstelle. Aber die Zielrichtung ist anders. Es geht nicht um die Schlichtung eines Streits, sondern um eine die zentrale Beschwerdestelle für unkorrekte Geschäftspraktiken. An diese können sich Mitarbeiter und Dritte vertrauensvoll wenden, wenn sie unkorrekte Geschäftspraktiken im Unternehmen beobachtet haben.

Die großen Skandale von Enron bis Wirecard haben eines gezeigt: Es gab immer Whistleblower, die zunächst im Unternehmen selbst und danach extern das Problem erkannt und angesprochen haben.

Beispiel Enron: Weder Hinweisgebersystem noch Ombudsmann

Trillerpfeife, als Symbol für das Hinweisgebersystem

Sherron Watkins zum Beispiel. Sie war Vice President bei Enron und schrieb im Sommer 2001 den berühmt berüchtigten Aktenvermerk an den CEO, Kenneth Lay, in dem sie auf die zweifelhaften Bilanzierungspraktiken hinwies.

Enron musste Ende 2001 Insolvenz anmelden und Sherron Watkins sagte als Zeugin vor dem U.S. Repräsentantenhaus und dem Senat aus. Sie berichtete dort über die Bilanzierungsfehler, die sie in den Jahresabschlüssen gefunden hatte.

Als ihr Aktenvermerk Anfang 2002 in den Medien bekannt wurde, stellte sich heraus, dass Enron direkt nach ihrem Treffen mit Lay Anwälte beauftragt hatte, um sie zu entlassen. Das ist das Gegenteil von Hinweisgeberschutz.

Beispiel Wirecard: Hinweisgebersystem ohne Ombudsmann

Die meisten Whistleblower versuchten, das Unternehmen auf das Problem aufmerksam zu machen. Erst dann gingen sie zur Presse oder zu den Strafverfolgungsbehörden.

Bestes Beispiel dafür ist Pavandeep Gill. Ohne seine Informationen, die er in seiner nur einjährigen Zeit als Jurist der asiatischen Niederlassung von Wirecard in Singapur erlangte, wäre einer der größten Wirtschaftsskandale in der deutschen Geschichte wohl nie ans Licht gekommen. Gill beteuert, er habe es nie „darauf angelegt, diese Firma zu entlarven“, sondern erhofft, die „Firma lediglich von ein paar faulen Äpfeln zu befreien“.

Sowohl Enron als auch Wirecard sind keine typischen Beispiele. Im Gegenteil: In beiden Fällen waren die Verstöße absichtliche Straftaten. Skilling, der Nachfolger von Lay als CEO bei Enron, war 12 Jahre im Gefängnis und die Staatsanwaltsschaft München auch gegen den Vorstandsvorsitzenden von Wirecard wegen bandenmäßigem Betrug.

Abseits der Skandale: Der Ombudsmann im Hinweisgebersystem von KMU

Normalerweise halten sich Unternehmen an das geltende Recht. Ihre Produkte, Dienstleistungen und Aktivitäten bewegen sich innerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen. Mitarbeiter sollen sich rechtlich und ethisch einwandfrei verhalten. Wenn das im Einzelfall nicht zutrifft, ist ein Hinweisgebersystem eine wichtige zusätzliche Informationsquelle.

Seit der Siemens-Affäre wird das Ombudsmann-Modell verstärkt nachgefragt, nachdem die Unternehmen erkannt haben, dass bei der Bekämpfung von Korruption und ihrer Begleitdelikte Hinweisgebersysteme eine zentrale Rolle spielen.

RA Dr. Rainer Buchert, Frankfurt am Main

Wer sich an einen Ombudsmann wendet, will in der Regel der Organisation helfen, einen Missstand selbst abzustellen. Der wichtige Punkt ist, dass potentielle Whistleblower vertrauen in das System haben. Dazu gehört vor allem, dass sie keine Benachteiligung fürchten müssen. Die Möglichkeit, anonym zu bleiben, ist in dem Kontext wichtig.

Beschäftigte und vielleicht auch Lieferanten und Kunden werden ein solches System nur nutzen und es zum Erfolg werden lassen, wenn sie Vertrauen darin haben, dass ihrem Hinweis nachgegangen wird – und zwar auch dann, wenn er sich gegen Führungskräfte richtet – und dass sie selbst dabei keinen Schaden nehmen.

Guido Strack, Vorsitzender, Whistleblower-Netzwerk e.V., in Korruptionsprävention – Ein Leitfaden für Unternehmen

Aber funktioniert das auch in der Praxis? Wie anonym kann ein Hinweis sein, wenn er einen konkreten Verstoß benennt? Ist die Stelle im Unternehmen, die darüber entscheidet, ob dem Hinweis nachgegangen wirklich neutral? Wie kann der Hinweisgeber vor Benachteiligung geschützt werden? Kann man zu einem anonymen Hinweisgeber Kontakt aufnehmen?

Standards empfehlen Ombudsmann-Modelle

Den folgenden Standards kann entnommen werden, dass die Einrichtung eines Ombudsmann-Modells sinnvoll ist:

ISO 37001:2016 8.9Äußern von Bedenken
ISO 37301:2021 8.3Äußern von Bedenken
IDW PS 980A14Einrichtung Hinweisgeberverfahren

Ein Beispiel dafür gibt Siemens. Um von Compliance-Verstößen zu erfahren, stellt Siemens internen und externen Hinweisgebern verschiedene Meldewege zur Verfügung. Die Plattform „Tell Us“, eine renommierte Rechtsanwältin als Ombudsperson und die Bilanzbeschwerde. Mitarbeiter und externe Stakeholder können so vertraulich und auf Wunsch anonym Hinweise zu möglichen Verstößen geben.

EU-Hinweisgeberschutz Richtlinie

Die Richtlinie (EU) 2019/1937 verlangt, dass Deutschland bis zum 17.12.2021 ein Gesetz zum Schutz von Personen erlässt, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Unternehmen mit 50 oder mehr Arbeitnehmern und Behörden sollen Kanäle und Verfahren für interne Meldungen und für Folgemaßnahmen einrichten, um den verbesserten EU Hinweisgeberschutz umzusetzen.

Diese Meldekanäle können nach Art. 8 Abs. 5 von einem internen Beauftragten oder einer Abteilung betrieben werden. Es ist aber auch möglich, dass sie extern von einem Dritten im Rahmen eines Ombudsmann-Modells bereitgestellt werden.